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B Rep. 039-01 Landgericht Berlin - Archiv für Wiedergutmachung (Bestand)
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Bestand
Landesarchiv Berlin, B Rep. 039-01
Landesarchiv Berlin (Archivtektonik) >> B Bestände (West-) Berliner Behörden bis 1990 >> B 5 Justizbehörden >> B 5.1 Gerichte und Staatsanwaltschaften
Vorwort: B Rep. 039-01 Landgericht Berlin - Archiv für Wiedergutmachung
A. Behördengeschichte
I. Die Rückerstattungsgesetzgebung
Zu den frühen Maßnahmen gegen das Unrecht des Nationalsozialismus nach dem Krieg gehörte die Rückerstattung geraubten Besitzes. Die Rückerstattung sollte konkret greifbare Gegenstände betreffen, die in diskriminierender Absicht entzogen wurden und in den Besitz des Deutschen Reiches gekommen waren - Geld, Wertsachen, Bibliotheken, Pelze usw.. Sie wurde unterschieden von der sogenannten Entschädigung, die vor allem immaterielle Schäden (Haft in Konzentrationslagern oder Gefängnissen, Krankheit, Tod, Entlassung aus dem Staatsdienst usw.) zum Gegenstand hatte. Diese sehr formale Unterscheidung war schwer zu vermitteln und zwang die Betroffenen zur getrennten Anmeldung von Ansprüchen bei verschiedenen Stellen, was bei Fehlern zur Aberkennung der Ansprüche führen konnte.
Nachdem bereits kurz nach Kriegsende mit der Erfassung geraubter Besitztümer begonnen worden war, wurde mit der BK/O (49) 180 vom 26. Juli 1949 (die sogenannte REAO) die Rückerstattung geregelt. Danach mussten bis zum 30.6.1950 alle Ansprüche beim alliierten Treuhänder für Rückerstattungsvermögen persönlich angemeldet werden, bei herrenlosem
Vermögen konnten auch Organisationen wie z.B. die Jewish Restitution Successor Organization (IRSO) Ansprüche anmelden. Die Bearbeitung der Anträge erfolgte durch Wiedergutmachungsämter, in Streitfällen konnte vor den Rückerstattungskammern der Landgerichte geklagt werden. Revisionsinstanz gegen deren Entscheidungen waren die Oberlandesgerichte - in Berlin das Kammergericht - und in letzter Instanz entschied ein Oberstes Rückerstattungsgericht (ORG) über die Verfahren. Das ORG war ein internationales Gericht, besetzt mit drei amerikanischen Richtern, einem Franzosen und einem Deutschen; Präsident war der Schwede Dr. Torsten Salèn. Das ORG hatte drei Senate, die sich in Berlin (Erster Senat), Herford (Zweiter Senat) und Nürnberg (Dritter Senat) befanden. Die ersten Rückerstattungsregelungen der Zonen und der deutschen Länder hatten vielfache Schwächen und führten wiederholt zu Nachbesserungen, die die ohnehin schwierige Materie noch weiter komplizierten. Im Juni 1957 schließlich wurde mit dem Bundesrückerstattungsgesetz (BRüG) eine länderübergreifende einheitliche Regelung geschaffen. Wenige Jahre darauf wurde auch der Bereich der Entschädigung bundeseinheitlich geregelt: Das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) ersetzte die in den Ländern inzwischen besehenden Entschädigungsgesetze. Es wurde 1965 durch ein Entschädigungsschlussgesetz erweitert. BRüG und BEG gehören beide zusammen zum Komplex der sogenannten Wiedergutmachung.
II. Die Einrichtung des "Archiv für Wiedergutmachung (AfW)" beim Landgericht Berlin
Die in Wiedergutmachungsfragen tätigen Gerichte hatten weitreichende Ermittlungen zu Tausenden von Schicksalen und Taten zu führen, die in vielen Fällen nicht auf Reichsgebiet erfolgt waren und im Ausland, insbesondere in den Ostblockstaaten, gelegene Orte betrafen. Zur Erleichterung dieser gewaltigen Probleme mit der Beweislage wurde 1962 beim Landgericht Berlin ein zentrales "Archiv für Wiedergutmachung (AfW)" eingerichtet. Aufgabe war es, Dokumente über Entziehungen und Verbringung von Vermögensgegenständen durch deutsche Behörden und Dienststellen aus den besetzten und angegliederten Gebieten in das Gebiet der Bundesrepublik einschließlich Berlins zu beschaffen. Zu diesen Gebieten zählen die baltischen Staaten, Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien, Jugoslawien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Rumänien, Tschechoslowakei und Ungarn. Die Sammlung diente dabei einem doppelten Zweck: Klärung der Abläufe der Vermögensentziehung und juristische Einordnung dieser Vorgänge in die Normen des Rückerstattungsrechtsprechung. Unter der Leitung des Landgerichtsdirektors Günther H. Schlecht wurden die bei den Berliner Gerichten bereits vorhandenen Ermittlungsergebnisse bzw. Dokumente zusammengetragen und Unterlagen einschlägiger Archive und Dokumentationsstellen (Bundesarchiv, Archiv des Auswärtigen Amts, Central Office der URO - United Restitution Organisation, National Archives in Washington, Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Verfolgung von NS - Verbrechen, Wiener Library) beschafft. Entsprechend der Ausrichtung der Rückerstattung liegt der Schwerpunkt der Sammlung auf Texten zu ermögensgegenständen, weniger zu anderen Verfolgungsbereichen. Gesammelt wurden sowohl Primärquellen aus den Jahren 1933 - 1945 als auch Zeugenaussagen der Nachkriegszeit und auch Rechtsauskünfte zur Rückerstattung.
Das AfW gliedert sich in vier Materialgruppen:
Entscheidungsserien von Wiedergutmachungsgerichten, Dokumentensammlungen, Geschäftsunterlagen und Bücher bzw. Druckerzeugnisse.
Die Dokumentsammlung ist länderweise gegliedert und nach der Art der Vermögensgegenstände
unterteilt:
a) Allgemeines
b) Edelmetall
c) Bibliotheken
d) Kunstgegenstände
e) Wohnungseinrichtungen
f) Wertpapiere
g) Fabrikeinrichtungen
h) Warenlager/Rohstoffe
Dieses System ist bei jedem Land durchgeführt.
Entscheidungs - und Dokumentsammlungen sind gemeinsam durch verschiedene Karteien
erschlossen:
a) Die sogenannte Materialkartei, die wie die Dokumentensammlung länderweise gegliedert ist und nach Vermögensgegenständen unterteilt ist.
b) Als Gegenstück gibt es eine sog. Stichwortkartei, die nach Vermögensgegenständen gegliedert ist und erst innerhalb dessen nach Ländern gegliedert wurde.
c) In einer Verordnungskartei wurden chronologisch wesentliche Erlasse, Verordnungen und Gesetze erfasst.
d) Zu den Nürnberger Dokumenten wurde eine nach Nummern gegliederte Übersicht erstellt.
e) Zu ausgewählten Archiven wurden eigene Fundstellenkarteien angelegt: Bundesarchiv, Zentrale Stelle, Geheimes Staatsarchiv.
Alle Verweisstellen in den Karteien bestehen aus zwei Ziffern, z.B. 26, 1 - 5. Die erste Ziffer bezeichnet die systematische Nummer, die zweite oder die anschließenden die Seiten in dem jeweiligen Sammelordner. Anhand dieser Angaben kann in der untenstehenden Liste die Signatur des jeweiligen Ordners ermittelt werden.
Das AfW konnte von allen an Wiedergutmachungssachen interessierten Personen - Ämter, Gerichte, Rechtsanwälte - gegen ein Aufwandsentgelt frei benutzt werden. Regelmäßig wurden vom AfW neu ergangene Entscheidungen zum Wiedergutmachungsrecht auf einem hektographierten Mitteilungsblatt publiziert. Der Leiter erweiterte das Material durch Auswertungsfahrten in verschiedene Einrichtungen. Das damalige ehrgeizige Ziel, "das für die Wiedergutmachung bedeutsame Material aller großen Institute und Archive" zusammenzutragen, hatte sich längst als illusorisch erwiesen.
Der Bereich der Wiedergutmachungsrechtsprechung schrumpfte in den siebziger Jahren immer mehr; wegen der längst abgelaufenen Antragsfristen des BEG wurden zu der Zeit nur noch Altfälle verhandelt, und das waren zunehmend Gesundheitsschadensfälle (Anpassung von Renten nach Auftreten von Spätschäden).
Leiter des Archivs war von der Gründung im Februar 1962 bis 1980 der Vorsitzende Richter beim Landgericht, Günther H. Schlecht. In den letzten Jahren bis zur Übergabe der Akten an das Landesarchiv Berlin kümmerten sich verschiedene Richter um eventuelle Anfragen an das Archiv für Wiedergutmachung.
Der im Juli 1920 in Kunersdorf geborene Günther Schlecht, hatte 1948 in Schwerin sein Staatsexamen und im Anschluss ein Referendariat beim Kammergericht Berlin absolviert. Seine zweite juristische Prüfung legte er im Juli 1951 ab. Seit 1954 war Günther Schlecht zunächst als Beisitzer, später als Vorsitzender Richter einer Wiedergutmachungskammer beim Landgericht Berlin eingesetzt. Mit seiner Ehefrau und zwei Kindern lebte er in Berlin-Mariendorf.
B. Bestandsgeschichte
1986 wurden die Unterlagen des Archivs für Wiedergutmachung vom Landgericht Berlin an das Landesarchiv abgegeben und unter der Repositur Rep. 39 Acc. 3526 vorläufig benutzbar gemacht. Die verstärkte Benutzung ab 1997 durch verschiedene europäische Historikerkommissionen machte die vorliegende Erschließung erforderlich. Die Retrokonversion in Augias-Archiv erfolgte 2002.
Das AfW wurde als Teilbestand der Überlieferung B Rep. 039 Landgericht Berlin gebildet, da es sich hierbei nicht um Sachakten des Gerichts selbst, sondern um eine vom Gericht aufgebaute Dokumentation handelt. Die Verfahrensakten der Wiedergutmachungskammern des Landgerichts Berlin befinden sich nach wie vor beim Landgericht.
Der Bestand enthält 532 Akten und umfasst 34,8 lfm. Die zum Bestand gehörenden 16 Pläne, wurden aus konservatorischen Gründen entnommen und der Kartensammlung F Rep. 270 zur Einarbeitung übergeben.
Er ist wie folgt zu zitieren: B Rep. 039-01, Nr. …
C. Korrespondierende Bestände
LAB B Rep. 025 Wiedergutmachungsämter von Berlin
LAB B Rep. 032 Der Treuhänder der Amerikanischen, Britischen und Französischen Militärregierung für zwangsübertragene Vermögen/Haupttreuhänder für Rückerstattungsvermögen
LAB B Rep. 064 Oberstes Rückerstattungsgericht Berlin
D. Literatur
Norbert Frei, José Brunner, Constantin Goschler (Hrsg.), Die Praxis der Wiedergutmachung. Geschichte, Erfahrung und Wirkung in Deutschland und Israel, Göttingen 2009.
Walter Schwarz, Die Widergutmachung nationalsozialistischen Unrechts durch die Bundesrepublik Deutschland, München 1974.
Entscheidungen der Rückerstattungsgerichte in der Frage der Entziehung von Geschäften, Curt Bergmann, Weis, 1954 (LAB Zs 1817).
Berlin, im August 2013 Bianca Welzing-Bräutigam, Dr. Martin Luchterhandt