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F 147 - H. W. Schlichte (Bestand)
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Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv (Archivtektonik) >> F - Firmen
1688-1995
Firmensitz: Steinhagen Branche: Spirituosenindustrie (Brennerei) Der Name Schlichte ist im Herforder Raum Mitte des 16. Jahrhunderts erstmals nachweisbar, seit Mitte des 18. Jahrhunderts waren Schlichtes in Steinhagen ansässig. Als Landwirte und Kleinhändler beschäftigten sie sich nebenberuflich mit der Brennerei (Wacholderbranntwein "Steinhäger"). Als Hausbrand wurde "Steinhäger" von der Familie Schlichte spätestens ab 1766 hergestellt. 1840, zu Lebzeiten von Heinrich Wilhelm Schlichte, war der Übergang zum gewerbsmäßigen Brennen bereits vollzogen. Ende des 19. Jahrhunderts setzte unter den Brüdern Robert und Rudolf Schlichte - sie waren in den 1870er Jahren in die Firma eingetreten - ein nachhaltiger Aufschwung ein. Die Firma H.W. Schlichte gewann Preise auf zahlreichen Ausstellungen (unter anderem Weltausstellungen Chicago 1893 und Paris 1900) und exportierte weltweit. Auf der Düsseldorfer Industrie- und Gewerbe-Ausstellung 1902 präsentierte das Unternehmen erstmals sein "Westfälisches Bauernhaus" mit einem eigenen Restaurationsbetrieb. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Brennereigebäude mehrmals vergrößert und modernisiert. Neue Produkte, z.B. Cognac, kamen zum "Steinhäger" hinzu. 1922 gab es neben dem Schlichte-Steinhäger weitere zwölf Schlichte-Produkte, u.a. Korn und Cherry-Brandy. Der industrielle Brennereibetrieb blieb bis heute mit ausgedehnter Landwirtschaft verbunden. Die Familie Schlichte besaß mehrere Höfe, auf denen die Abfälle aus der Brennerei (Schlempe) in der Viehzucht verwendet werden konnten. Ende des 19. Jahrhunderts hatte man zu diesem Zweck den Gräfenhof und den Austmannshof angekauft. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg unterhielt die Firma Schlichte Filialen bzw. Restaurationsbetriebe in Brüssel (1906-1918), Köln (1910-1943) und Berlin (1913-1926). Später kam Essen (1930-1934) hinzu. 1926 überführte man die Firma in eine oHG. Ein Jahr darauf, nach dem Tod von Robert Schlichte, übernahmen dessenSöhne Herbert und Werner die Unternehmensleitung. Der in dieser Zeit entwickelte Slogan "Trinke ihn mäßig, aber regelmäßig" prägte die Werbung der Fa. Schlichte über Jahrzehnte. Die Beschäftigtenzahlen schwankten zwischen 100 und 150. In den 20er Jahren expandierte das Unternehmen zwar zunächst auch durch den Erwerb von Tochtergesellschaften (1925 Kurtrier AG in Trier; 1927 Egon Braun AG, später Norwin, in Hamburg). Doch die Wirtschaftskrise zog die Firma Schlichte stark in Mitleidenschaft: Der Ausstoß sank von knapp 380.000 Litern (1928/29) auf 175.000 Liter (1932/33). Bis zum Zweiten Weltkrieg entwickelte man sich dann aber zu einer der größten Spirituosenfirmen Deutschlands, der Ausstoß stieg bis auf 950.000 Liter (1939/40). Die Firma Schlichte war mit weitem Abstand der größte Steinhäger-Produzent Deutschlands. Im Krieg durfte fast nur an die Reichswehr verkauft werden, zeitweise lag die Brennerei still und die Firma mußte auf Schreinereiprodukte und Rüstungsbedarf (Munitionskisten, Geschosse) ausweichen. In den 50er Jahren stiegen die Steinhäger-Umsätze nochmals stark an. Ein Zeichen für die große Bedeutung der Fa. Schlichte auf dem Spirituosenmarkt war die herausragende Position von Herbert Schlichte als Mitbegründer und Vorsitzender des Verbandes der Markenspirituosen-Industrie (1949-1960). Organisatorisch trennte man das eigene Unternehmen 1949 in die H.W. Schlichte oHG und die H.W. Schlichte Vertriebsgesellschaft mbH. Die Fa. Schlichte übernahm in der Nachkriegszeit wiederholt Spirituosenproduzenten bzw. deren Marken (z.B. Keucks "Türkisch Mokka", Winkelmanns "Boonekamp", Closterbrenne-rei AG in Emmendingen, Fa. Franz Bauer in Graz). 1969 arbeiteten in der Schlichte-Gruppe 500 Beschäftigte, davon etwa die Hälfte im Steinhagener Stammbetrieb. 1970, nach dem Tod von Herbert Schlichte, erfolgte der Übergang auf die nächste Familiengeneration an der Spitze des Unternehmens. Seit Mitte der 60er Jahre wurde die Marktlage schwieriger. 1985 fusionierten die beiden größten Steinhäger-Brennereien Schlichte und H.C. König zur König & Schlichte GmbH & Co.; Arbeitsplatzabbau und Sortimentsreduzierung folgten. 1990 über-nahm die Fa. I.B. Berentzen die Mehrheit der Anteile. Bereits 1992/93 zog sich Berentzen zu-rück, es erfolgte eine Entflechtung und die Fa. H.W. Schlichte wurde - nunmehr im Verbund mit Friedrich-Wilhelm Schwarze - wieder selbständig. An der heutigen H.W. Schlichte Stein-häger- und Kornbrennerei GmbH & Co. sind die Familien Schlichte und Schwarze beteiligt. 47 m Bewußt aufgehoben wurden im Unternehmen offenbar Geschäftsbuchserien und juristisch relevante Unterlagen (zahlreiche Prozesse gegen säumige Kunden und Konkurrenten, unter anderem zum Begriff "Steinhäger" und zum Wettbewerbsverhalten). Ansonsten ist die Überlieferung eher zufällig. Hervorzuheben sind die Quellen zum Verbändewesen der Spirituosenindustrie und das umfangreiche Werbematerial. Der Schwerpunkt der Überlieferung liegt auf den Jahren 1890 bis 1960. Im einzelnen enthält der Bestand: 1. Allgemeiner Geschäftsbetrieb und Betriebskennzahlen der Zentrale: Bilanzen, Bilanzunterlagen (29); Geschäftsbücher (135), darunter Haupt- und Kontokorrentbücher, Tagebücher, Memoriale, Kassabücher, Betriebsbücher, Rechnungsausgangsbücher, Rechnungseingangsbücher; Bestände, Inventuren (13); Betriebskennzahlen und -statistiken, Kalkulationen, Umsätze, Kosten, Gewinne (29); Revisionsberichte (6); Rundschreiben, allgemeine Geschäftskorrespondenz (17); Buchungsbelege (7). 2. Tochterunternehmen, Beteiligungen und Filialen: Restaurationsbetriebe und Lager in Berlin, Brüssel, Essen und Köln (82); Tochterunternehmen, darunter: Egon Braun, Norddeutsche Weinbrennerei, Norwin (48); Kurtrier, Trier/Amshausen (11); Franz Bauer, Graz (6); Keuck (2); Klosterbrennerei Emmendingen (5); weitere Beteiligungen (8). 3. Recht: Verträge (3); Brennrechte und Konzessionen (1); Patente, Warenzeichen, Gebrauchs- und Geschmacksmuster (29); Versicherungen (2); einzelne Rechtsstreitigkeiten (12). 4. Büro, Unternehmensorganisation und Finanzen: Finanzen, Finanzierung und Devisen (3); Geschäftsbeziehungen mit Banken (5); Unternehmensorganisation, Arbeitsbewertung und Rationalisierung (4); Steuern, Abgaben und Lastenausgleich (54); Konsumenten-Kredit (3); Büroeinrichtung und Rechnungswesen (8). 5. Grundstücke und Gebäude, darunter: Einheitswerte, Wohnhäuser Steinhagen, Fabrikgebäude, Häuser in Hannover, Hamburg und Mannheim (68). 6. Beschaffung: Einkaufsbücher, Rohstoffeinkauf und Rechnungen (29). 7. Produktion und Produkte, darunter: "Steinhäger" und Schlichte-Klubs (12); alkoholfreie Produkte (8); Betriebseinrichtung und Maschinen (18); Flaschen-Etiketten (92); Krüge, Flaschen, Verpackungen und Flaschenanhänger (38); Wasserversorgung und Abwasser (6); Schlempe (2). 8. Verkauf: Warenausgangs- und Verkaufsbücher (19); Statistiken, Versandschäden, Frachtenbücher usw. (15); Abnehmer (Kundenbücher, Auskünfte über Geschäftspartner usw.) (35); Haus- und Direktverkauf sowie Kleinhandel (3); Lieferungen in das Saarland 1920er Jahre (7); Überbrand, Branntweinübernahme, Rückkauf (14); Export (u.a. Außenhandelsstelle für Niedersachsen-Kassel, Schiffsbelieferungen, Export nach Europa, Amerika, Asien, Afrika und Australien) (69); Preise (8); Geschenkabgaben (3). 9. Werbung H.W. Schlichte und Tochterunternehmen: Agenturen, Konzeptionen usw. (45); Werbemittel, z.B. Plakate und Werbeblätter, Schilder, Aufsteller, Aufhänger, Broschüren, Faltblätter, Rundschreiben, Daumenkino, Postkarten, Werbekarten, Kalender, Inserate, Aufkleber, Großflächenwerbung, Werbeständer, Schallplatten, Rundfunk- und Fernsehwerbespots, Filme, "Drei-Dimensionales", Preisausschreiben (287). 10. Ausstellungen, Messen und Auszeichnungen (Urkunden, Medaillen) (169) 11. Wettbewerb und Konkurrenten: Unlauterer Wettbewerb und Werbung von Konkurrenten (7); einzelne Konkurrenten (mit Werbung) und Rechtsstreitigkeiten mit ihnen (62), darunter H.C. König (Gütersloh), H.C. König (Steinhagen), Strothmann, Schwarze, Elmendorf, Niederstadt, Wittenborg, Jückemöller, Adler-Brennerei Peters, Steinhäger-Essenzen-Firmen, Asbach, Doornkaat. 12. Beschäftigte und Betriebliche Sozialpolitik: Einzelne Beschäftigte, Arbeitsalltag und Feiern (14); Arbeits- und Betriebsordnungen sowie Betriebs-Bekanntmachungen (4); Tarifangelegenheiten (4); Lohnbücher und -listen (11); Betrieblicher Wohnungsbau und sonstige Wohlfahrtseinrichtungen (9); Betriebsrat und DAF (2); Vertreter (59), darunter Fischer (Hamburg), Klöning (Bremen) und Borrmann (Berlin). 13. Einzelne Geschäftsvorfälle: Erster Weltkrieg (5), darunter Soldatenbriefe, Lieferungen an das Militär; Zweiter Weltkrieg (11), darunter Soldatenbriefe, Lieferungen an das Militär; Besatzungszeit und Wiederaufnahme der Produktion (11); Spenden (1); Kontakte zur Deutschen Volkspartei (1); Bibliothek Pick (1). 14. Spirituosenindustrie und Alkohol im allgemeinen: Branntweinpolitik, Gesetze, Statistiken, Kartelle usw. (26); Branntweinmonopol, staatliche Monopolverwaltung und Kontingentierungen (37); Preise, Preisbindung (20); Branntweinkonsum und Abstinenzlerbewegung (5); Branntweinsteuern und -zölle (10). Verbände und Körperschaften, darunter: Arbeitsgemeinschaft der deutschen Spiritusindustrie (11); Verband der Spirituosenindustrie / Bundesverband der deutschen Spirituosen-Industrie / Bundesverband der Markenspirituosen-Industrie / Verband der Markenspirituosen-Industrie / Bundesvereinigung der deutschen Markenspirituosenindustrie (13); Bundesverband der Obstverschlußbrenner (3); Interessengemeinschaft der Alkoholverarbeiter (6); Markenschutzverband / Markenverband (3); Schutzverband der Spirituosenindustrie (4); Wirtschaftsvereinigung der Ernährungsindustrie / Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft der Ernährungsindustrie im Lande Nordrhein-Westfalen (8); Verband Deutscher Spiritus- und Spirituosen-Interessenten (1); Verband Westfälischer Kornbrennereien (1); Verein der Kornbrennereibesitzer und der Preßhefefabrikanten Deutschlands (3); Verein der Steinhäger Brennereibesitzer (3); Verein westfälischer Steinhäger-Brennereien (7); Reichsgruppe Industrie und Wirtschaftsgruppe Spiritusindustrie (5); Europarat und Europäische Union für Alkohol, Branntwein und Spirituosen (5). 15. Land- und Forstwirtschaft, Viehzucht, Fischzucht (Amshausen, Listertalsperre), Mühlen, Gartenbau, Landarbeiter, Güter Charlottenhof und Patthorst, Gräfenhof, Austmannshof usw. (105) 16. Raum Steinhagen und einzelne Bewohner (29), darunter: Karten, Pläne, Wasserrechte 17. Familie Schlichte (60), darunter: Rudolf Schlichte, Robert Schlichte, Herbert Schlichte, Werner Schlichte, Gesellschaftsverträge, Geschäftsanteile, Besatzung und Besatzungsschäden, Pferdezucht, Jagd 18. Unternehmens- und Familiengeschichte (Ausarbeitung von Max Petiscus, Sammlungsgut, Fotoalben usw.) (13)